(10.–11. September 2025, Mainz)
Das sechste Konsortialtreffen von NFDI4Chem fand mit mehr als 70 Teilnehmenden in Mainz statt. Die Veranstaltung bot einen umfassenden Rückblick auf die bisherigen Arbeiten der Förderphase 1 und stellte zentrale Ergebnisse aus verschiedenen Arbeitsbereichen vor.
Mit der Begrüßung betonten Christoph Steinbeck und Johannes Liermann die Erfolge der ersten Projektphase, sowohl hinsichtlich der erreichten Ziele als auch die enge und kollegiale Zusammenarbeit zwischen den über 30 Partnern.
ELN und Repositorien
Den Auftakt am ersten Tag machte eine Keynote Lecture von Simon Bray zu Galaxy, einer frei zugänglichen Internet-Plattform, mit der man auch ohne spezielle Vorkenntnisse wissenschaftliche Daten analysieren und bearbeiten kann. Diskutiert wurden u.a. die Einbindung verschiedener Programmiersprachen, neue Entwicklungen im Python-Ökosystem sowie die Integration kommerzieller Tools und Community-Beiträge. Galaxy bietet Nutzenden derzeit Zugriff auf etwa 4.000 Tools mit einem Speicher von 250 GB.
Die erste Session behandelte die Smart Lab Umgebung, mit Schwerpunkt auf Elektronischen Laborjournalen (ELNs), insbesondere Chemotion. Die Nutzerzahlen dieses am KIT entwickelten ELNs wachsen, inzwischen betreffen rund 60% aller NFDI4Chem-Helpdesk-Anfragen dieses System. Vorgestellt wurden neue Templates, die Integration externer Anwendungen und Vorgänge zur Daten-Annotation. Parallel dazu wurde die Bedeutung von Repositorien hervorgehoben, in denen Daten FAIR gespeichert werden können. Repositorien sind daher essenziell, um unsere Vision „alle Chemiker*innen publizieren FAIR-Daten“ zu erreichen.
Das Repositorium RADAR4Chem erreicht aktuell einen FUJI-FAIRness-Score von 92% und bietet neue Funktionen wie Reviewer-Zugriff, KI-gestützte Metadatenerstellung, GitLab-Import und erweiterte Downloadoptionen. Weitere Beiträge thematisierten die Integration von nmrXiv, die Weiterentwicklung von MassBank mit neuer Such- und Downloadfunktion, sowie den Aufbau von SupraBank trotz personeller Engpässe.
Ein weiterer Schwerpunkt war das Modul (Bio)Chemistry & EnzymeML, das neue Ansätze für modulare Forschungsdaten-Infrastrukturen vorstellt, sowie die Vorstellung des FAIR Chemistry Repository.
Am Abend referierte Torsten Schrade (NFDI4Culture) in einem begeisternden Vortrag über die Verbindung kultureller Daten mit chemischen Strukturen. Dabei wurden Schnittstellen zwischen 3D-Repräsentationen aus den Kulturwissenschaften und chemischen Daten diskutiert, einschließlich einer möglichen semantischen Verknüpfung über InChI oder Iconclass. Beeindruckend war vor allem, wie er über aktuelle Tools chemische Elemente zum “Klingen” brachte.
Von Standards zu Community Engagement
Den zweiten Tag eröffnete die Session zu Standards & Synergien. Zentrale Rolle spielten die MIChIs (Minimum Information about a Chemical Investigation), die domänenspezifische Auffindbarkeit und Reproduzierbarkeit sicherstellen. Erste Standards existieren bereits für NMR, Massenspektrometrie oder UV-VIS, weitere sind in Arbeit. Diskutiert wurde, wie die Community stärker in die Weiterentwicklung eingebunden werden kann, auch mithilfe von KI-gestützten Vorentwürfen.
Die Chemical Methods Ontology wurde hinsichtlich Interoperabilität und Zusammenarbeit mit IUPAC und internationalen Partnern präsentiert. Parallel entstanden Erweiterungen durch ChemDCAT-AP und Converter Services, die Standardformate wie mzML bereitstellen. Das Konzept eines Semantic Data Hub wurde vorgestellt, das ELNs, Repositorien, Ontologien und Suchdienste zu einem einheitlichen Metadaten-Ökosystem verknüpft. Ein erklärtes Ziel ist die Verbesserung des Chemie-Knowledge-Graphs bis hin zu einem „halluzinationsfreien LLM“.
In der Session zu Community Engagement & Training wurden Aktivitäten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Social Media, Newsletter, FAIR4Chem-Preis und Stammtisch hervorgehoben. Der Helpdesk hat seit 2021 über 1200 Anfragen bearbeitet. In der Knowledge Base sind vor allem Informationen zur Repositorienwahl und ELN-Auswahl von Bedeutung.
Bei den Trainingsmaßnahmen standen Chemotion-spezifische Workshops, train-the-trainer-Module sowie ein chemie-spezifisches Data-Management-Template im Vordergrund. Besonderes Augenmerk lag auch auf der Integration von Forschungsdatenmanagement in die Hochschullehre, wobei Daten- und Informationskompetenz zunehmend als Schlüsselqualifikationen identifiziert werden.
Ein Praxisbeispiel war die euroSAMPL-Benchmarkstudie, die inzwischen öffentlich mit NFDI4Chem-Branding erschienen ist und FAIR+R-Prinzipien (Reproduzierbarkeit) umsetzt.

Nachhaltige Daten
Ein anschließender Workshop beschäftigte sich mit ökologischen Aspekten des Datenmanagements. Diskutiert wurden Ressourcenverbrauch bei Speicherung, Rolle von IT-Zentren und Förderorganisationen sowie Ansätze für mehr Transparenz und Versionierung. Vorgeschlagen wurde, Nachhaltigkeitskriterien in Förderaufrufe zu integrieren.
Abschluss
Das Treffen endete mit einem Ausblick auf künftige Schwerpunkte in Phase 2: Ausbau von Standards und Ontologien, stärkere FAIRifizierung durch MIChIs, internationale Harmonisierung, Sicherstellung nachhaltiger Strukturen sowie Förderung der Community-Einbindung. Darüber hinaus wurde Thomas Hartmann (FIZ) mit Dank für seine langjährige Arbeit im Projekt verabschiedet.
Beiräte
Während der Tagung fand auch ein Treffen der Beiräte statt. Mit 9 Vertreter:innen aus Verlagen, Industrie, nationaler und internationaler Wissenschaftscommunity diskutierte das Steering Committee von NFDI4Chem über das Arbeitsprogramm der kommenden Förderphase, sowie über langfristige strategische Entscheidungen, die in der NFDI in den kommenden Jahren getroffen werden müssen. Weiterhin wurde über Möglichkeiten gesprochen, den Kulturwandel hin zu einer digitalen Forschungsumgebung und FAIRem Datenmanagement voranzutreiben. Da die Verlage wissenschaftlicher Literatur hierbei eine zentrale Rolle spielen, organisiert NFDI4Chem im kommenden Jahr den nächsten Editors4Chem Workshop in-persona, der sowohl eine Plattform zum Netzwerken bietet, als auch die Qualitätsprüfung wissenschaftlicher Daten behandeln wird.